Rezension: Aus (unausgesprochenem) Anlass ihres 70. Geburtstags hat H. Detering aus dem runden Dutzend von Runges Gedichtbänden (vgl. "Die dreizehnte", BA 5/07; "Was da auftaucht", ID-B 52/10) eine Auswahl getroffen, die sie aus der Rolle der noch immer als Idyllikerin verkannten Dichterin herauszuholen versteht. Überzeugend weist er in seinem ausführlichen Nachwort-Essay auf die kalkulierte Zweideutigkeit und kunstvolle Spannung hin, die Runge zwischen dem Mythen- und Märchendunkel der Romantik, auf die sie ausgiebig rekurriert, und aktuellen Gegenwartsbezügen aufzubauen weiß: "benedikt/ das ist dein haus/ ich ruh mich/ nur aus/ an deinem stein/ löst sich/ der mörtel". Vollends diese Werkauswahl ist geeignet, Runges stilistische (äußerste Verknappung, asketisch-eindringliche Sprache, präzise Bilder u.a.) und dichterische Qualitäten (wie geheimnisvolle Vielschichtigkeit, zaubrisches Ineinander von Traum- und Alltagswelt, das zugleich Lockende wie Bedrohliche ihrer Verse) auszuweisen und auf ihren unterschätzten Rang hinzuweisen. Den Schluss bilden neueste Gedichte. - Für den Grundbestand an zeitgenössischer Lyrik. (Manfred Bosch) Zum 70. Geburtstag der Grande Dame der deutschen Lyrik: ihre schönsten Gedichte aus drei Jahrzehnten: Doris Runge zählt zu den wichtigsten Lyrikerinnen der deutschen Gegenwartsliteratur. Das genaue Hinschauen, das Beobachten scheinbar beiläufiger Vorgänge ist bei ihr Programm, genauso wie die Reduktion auf das absolut Notwendige. Doch wer in den kleinen Alltagsvignetten nur Alltägliches vermutet, sollte ein zweites Mal hinschauen: Von jedem Wort aus verzweigen sich die Wege, Doppeldeutigkeiten und mythische Wesen eröffnen Welten, die ins Vor- und Nachleben führen, ins Märchen, in himmlische und, wer weiß, höllische Sphären
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