Seit dem Einzug der Kompetenzorientierung in die Lehrpläne dringt ein großer Teil der Literaturdidaktik in Abgrenzung zum Kompetenzparadigma darauf, dass Ziele des Literaturunterrichts nicht nur funktionale Kompetenzen sein können, sondern auch die Identitätsbildung und Persönlichkeitsentwicklung wesentliche, nicht operationalisierbare Aspekte der Auseinandersetzung mit Literatur sein müssen. Die Entwicklung von Empathie als Zielkriterium spielt dabei eine zentrale Rolle in der Argumentation. In folgendem Beitrag soll gezeigt werden, dass in gesellschaftlichen Narrativen, die sich z. B. über social media verbreiten, Empathieerzeugung und Emotionalisierung instrumentalisiert werden, um zu manipulieren. Der Literaturunterricht wird deshalb als der Ort gesehen, an dem auch die „dunkle Seite der Empathie“ beleuchtet und reflektiert werden muss, ein Aspekt, der sich auch in der LUK-Kompetenzfacette „Intendierte Emotionen verstehen können“ spiegelt (Frederking et al. 2016). Schüler*innen, die narrative Kompetenz entwickelt haben, sollen sich nicht nur involvieren lassen, sondern immer auch metakognitiv reflektieren, welche Funktionen ein Narrativ oder eine Narration verfolgt. In diesem Kontext stellt sich die Frage, inwieweit Frederkings und Bayrhubers theoretische Unterscheidung von personaler und funktionaler Bildung in der praktischen Auseinandersetzung tragfähig ist.
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