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Unter den nationalen Leitbildern der Deutschen nimmt „Hermann der Cherusker“ den ersten Platz ein. In grauer Vorzeit lebend, wurde er bereits im 16. Jahrhundert in den Rang eines nationalen Symbols erhoben.[1] Seit 1875 können sich die Deutschen vorstellen, wie er ausgesehen haben mag: ein Mann mit einem hoch empor gereckten Schwert, gen Westen dräuend, auf seinen Schild gestützt.[2] Wie er wirklich aussah, wissen wir nicht,[3] selbst sein deutscher Name ist eine Erfindung.[4] Doch ist Arminius, anders als sein weibliches Pendant Germania, eine historisch verbürgte Persönlichkeit von einiger Geschichtsmächtigkeit. Daß er im Jahre 9 nach Christus im Teutoburger Wald mit einer kurzlebigen Koalition germanischer Stämme den römischen Feldherrn Varus besiegte, der Weltmacht Rom eine empfindliche Niederlage beibrachte und der weiteren Kolonialisierung Germaniens Grenzen setzte, lernt wohl auch heute noch jedes Schulkind, zumindest im Gymnasium.[5]
Mit seiner Tat prädestinierte sich Arminius gleich zweifach zum möglichen Symbol deutscher Nationalsehnsüchte. Den an der territorialen Zersplitterung leidenden Deutschen nährte er den Traum geographischer Einheit und völkischer Geschlossenheit, und den um Geltung und Weltmachtstellung Bemühten nährte er den Traum machtvoller Siege über alle Feinde: „Deutsche Einigkeit meine Stärke – meine Stärke Deutschlands Macht“, steht auf seinem Denkmalsschwert.[6] So wurde Hermann zum Deutschesten der Großen Deutschen: Er symbolisierte dem deutschen Bildungsbürgertum, was es zu haben begehrte: deutsche Einheit und deutsche Macht.
Entsprechend vielfältig sind die Versuche von Künstlern, kollektive und individuelle Wünsche nach Einheit und Macht in der Figur des Hermann Gestalt gewinnen zu lassen.[7] Das Detmolder Denkmal wird auch heute noch von Millionen Besuchern im Jahr besichtigt; weniger bekannt ist, daß „Hermann“ auch in der deutschen Literatur ein viel verwendetes Motiv darstellt. Von den zahlreichen epischen Darstellungen, Dramen, Opern [8] und Gedichten des 16. und 17., vor allem des 18. und 19. Jahrhunderts ist nur noch Kleists „Hermannsschlacht“ in unserm Bildungsbewußtsein präsent.[9] Dabei sind auch Kleists unmittelbare Vorgänger, die Arminius-Dramen des 18. Jahrhunderts, von Interesse.[10]
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