In seiner umfangreichen, essayartigen Rezension von Werner Hegemanns Buch "Das steinerne Berlin. Geschichte der größten Mietskasernenstadt der Welt" von 1930 setzt sich Benjamin sehr gründlich mit dem Werk eines Mannes auseinander, den er zu Recht als einen Exponenten der Weimarer Republik vorstellt. Obwohl dieses Buch wie ein historisch fundiertes Plädoyer für einen radikalen Wandel in der verfehlten Baupolitik Berlins anmutet, spiegelt Benjamins Reaktion darauf nicht nur seine Haltung zu Berlin, seiner Heimatstadt, wider, sondern auch zur "herrschenden Ordnung", also derjenigen der Weimarer Republik. Bei der Lektüre von Benjamins Text stößt man sehr schnell auf eine Diskrepanz. Einerseits hebt Benjamin die besonderen Qualitäten von Hegemanns Buch hervor, preist es als "Monumentalwerk" oder "Standardwerk". Andererseits bemüht er sich vor allem darum, die Eindimensionalität von Hegemanns Methode, diejenige eines "strengen Rationalismus", kritisch ins Licht zu rücken. Diese Diskrepanz erinnert in einem ganz formalen Sinn an eine andere, kurz zuvor entstandene umfangreiche Rezension Benjamins. Er setzt sich dort mit einem Buch des George-Schülers Max Kommerell über die Deutsche Klassik auseinander ("Der Dichter als Führer in der Deutschen Klassik"). Der paradoxe Titel dieser Rezension lautet: "Wider ein Meisterwerk".
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