Einleitung: Der Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung der autobiographischen Schriften des deutschen Kolonialpolitikers Carl Peters, insbesondere im Hinblick auf das Narrativ von Entdeckung und Eroberung, das er in seinen Werken artikuliert, und auf das Selbstbild, das er darin entwirft. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen folgende Fragen: Wie stellt Peters sein koloniales Eroberungsprojekt dar? Welche Verfahren der Selbststilisierung und der Selbstdarstellung verwendet er? Welches Wissen ¿ ökonomisches, geographisches, politisches usw. - prägt seine Darstellung und welches neue Wissen erzeugt er? Es geht um die Repräsentation von Wissen, um den Zusammenhang zwischen der Selbstdarstellung und der Selbstreflexion des Autors einerseits und andererseits dem Wissen, das er reproduziert und produziert. Den Schwerpunkt dieser Untersuchung bildet dabei der Diskurs des Zeitalters der europäischen Entdeckungsfahrten und Eroberungszüge, die ein Wissen über außereuropäische Länder, aber rückwirkend auch ein Wissen über Europa und deren Akteure produziert sowie besondere Verfahren von Subjektbildung und Selbstrepräsentation im Kontext der Expansion europäischer Seemächte und der Begegnung mit fremden Ländern hervorgebracht haben. Zu diesem Zweck soll im folgenden untersucht werden, welches Bild Carl Peters von sich selbst entwirft, und wie ein solches Selbstbild zustande kommt. Es soll erörtert werden, wie Peters seine Identität konstruiert, und welcher Zusammenhang zwischen Identität, geographischem und ökonomischem Wissen, Eroberungsdrang und nicht zuletzt der Konstruktion und Wahrnehmung der Identität des ¿Anderen¿, das heißt hauptsächlich der Engländer und der afrikanischen Eingeborenen, besteht. Dahingegen soll die Frage, inwieweit Peters' Aussagen mit der historischen Wirklichkeit übereinstimmen, an dieser Stelle nicht behandelt werden, sondern das Augenmerk ausschließlich auf die Verfahren der Selbstrepräsentation und der Selbstinszenierung gerichtet werden. Insofern hat diese Arbeit keine geschichtswissenschaftlichen Ansprüche. Ziel derselben ist es vielmehr, Carl Peters' "Selbstentwurf" aus einer Innenperspektive zu beleuchten, dabei jedoch stets auf die Diskurse aufmerksam zu machen, auf die er sich bezieht und die er mitprägt. Die Wahl von Peters' autobiographischen Werken ermöglicht es, die Eigenschaften moderner Subjektivität und ihre Verknüpfung mit der Expansion der europäischen Mächte in den Vordergrund zu rücken. Die neuzeitliche Autobiographik ist eng verbunden mit der Entstehung des modernen Subjektes und seinem Wunsch nach Selbstdarstellung. Erst wenn der Mensch sich als den ¿Mittelpunkt eines Lebensraumes¿ versteht, wenn er die Geschichte als eine Entwicklung betrachtet, die mit der Einmaligkeit seiner eigenen Existenz verwoben ist, wenn bei ihm das Bewusstsein und das Verlangen aufkeimen, ¿der Natur noch etwas hinzuzufügen und ihr den Stempel seines Vorhandenseins aufzudrücken¿, dann erwächst jenes Bedürfnis, den eigenen Lebenslauf vor dem Vergessen zu retten und ihm zugleich einen höheren Sinn zuzuschreiben, ihn ¿als die Realisierung eines obersten Zweckes, dem sich alle Einzelwerke unterordnen, als die Verwirklichung eines höchsten Gutes¿ darzustellen. Carl Peters' Selbstdarstellung gehorcht diesem Prinzip, da er sich in seinen Schriften bemüht, sein Leben als die Verwirklichung eines höheren Zieles zu verklären. Dieses höhere Ziel war die Schaffung eines Kolonialreiches für Deutschland. Er betrachtet seinen Lebensentwurf als eine Rechtfertigung des deutschen Kolonialstrebens, er stellt ihn als ein zur Entwicklung der Welt- und der deutschen Geschichte paralleles und diese beeinflussendes Phänomen dar. Indem er sich selbst als Patrioten und Kolonisator stilisiert, während er ein Bild der Afrikaner als zu beherrschender Subjekte entwirft, erzeugt er einen kolonialen Legitimierungsdiskurs. Die Wahrnehmung des Anderen als zu erziehender Wilder und die Schaffung eines Mythos von der angeblichen Überlegenheit des Europäers, die man bei Peters beobachten kann, gehörten zu den wichtigsten Herrschaftsstrategien des Zeitalters der europäischen Expansion. Die Art, wie Peters seine Biographie literarisch konstruiert, ermöglicht einen Einblick in einen Diskurs, in dessen Mittelpunkt das moderne Subjekt und sein Drang, Neues zu schaffen, ferne Gebiete zu erobern und die Welt zu verändern, stehen. Um Missverständnissen vorzubeugen, wollen wir nun kurz auf den Begriff des Entdeckungsnarrativs eingehen. Dasselbe soll hier als jenes Narrativ verstanden werden, welches sich im Zuge der europäischen Entdeckungsreisen und Eroberungsexpeditionen vom 15. bis zum 20. Jahrhundert entwickelte. Man mag die Frage aufwerfen, inwieweit die Anwendung dieses Begriffs auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zulässig sei. Als das ¿Zeitalter der Entdeckungen¿ im engeren Sinne wird oft nur jene Epoche ¿zwischen der Mitte des 15. und dem Ende des 17. Jahrhunderts¿ bezeichnet, in der europäische Seefahrer immer mehr Gebiete der Erde ins Bewusstsein der Europäer rückten und somit ein neues Weltbild schufen. Der Historiker Eric J. Hobsbawm nennt die Periode zwischen 1875 und 1914 aus politischen und ökonomischen Gründen das ¿imperiale Zeitalter¿ und grenzt es somit vom Entdeckungszeitalter ab. Für eine Analyse von Carl Peters' Werken erscheint uns eine solche Einteilung jedoch nicht zweckmäßig. Aus Peters' Sicht bestand eine eindeutige Kontinuität zwischen Columbus' Epoche und seiner eigenen, denn er sah sein Kolonialprojekt in der Tradition der großen Entdeckungsfahrer und Kolonialeroberer. Ferner lassen sich zahlreiche Parallelen zwischen den Werken früherer Entdecker ¿ uns werden insbesondere die Schriften des Columbus beschäftigen ¿ und denen Peters' feststellen. Dementsprechend scheint es uns ratsam, mit der Wahl des Begriffs des ¿Entdeckungsnarrativs¿ auf die Gemeinsamkeiten aufmerksam zu machen, statt die Unterschiede zu betonen. Somit wollen wir auf eine Praxis der Weltentdeckung, die zugleich die Praxis der Welteroberung mit einbezog, sowie auf die Entstehung und Entwicklung eines neuen Weltbildes und einer ökonomisch und offensiv geprägten Handlungskultur hinweisen. Im ersten Kapitel werden wir eine Analyse der Verbindung von modernem Weltbild, Subjektbildung und Expansion vornehmen. Im zweiten Kapitel soll auf die auto-persuasiven Darstellungsverfahren eingegangen werden, die Peters einsetzt, um sein Projekt zu begründen und zu rechtfertigen. Im dritten Kapitel werden wir untersuchen, inwieweit Entdeckungsreisen als Akte der Besitzergreifung dargestellt werden und wie versucht wird, sie zu legitimieren. Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: Einleitung 2 Kapitel I. Die Eroberung des globalen Raums: Identität und Raumkonzeption in Carl Peters' Schriften 5 I. I. Der globale Chancenraum 5 I. II. Das Unternehmer-Subjekt13 I. III. Raum und Identität 21 Kapitel II. Auto-persuasive Darstellungsverfahren 31 II. I. Carl Peters und Afrika: der ¿Homo Oeconomicus¿ und die Disziplinierung der Eingeborenen 33 II. II. Der ¿Homo Oeconomicus¿ als Subjekt des Nationalstaates 50 Kapitel III. Entdeckung als Akt der Besitzergreifung63 Ausblick 73 Literaturverzeichnis 74 Textprobe:Textprobe: Kapitel I, Die Eroberung des globalen Raums: Identität und Raumkonzeption in Carl Peters' Schriften: In diesem Kapitel soll der Zusammenhang zwischen Carl Peters' Selbstdarstellung und seiner Darstellung des globalen Raums als Ressourcen- und Chancenraums untersucht werden. Im Mittelpunkt dieser Analyse stehen die Begriffe des neuzeitlichen Weltbildes und des Unternehmertums als einer der Neuzeit charakteristischen Handlungskultur. Wir wollen auf die Frage eingehen, inwiefern die Neuzeit durch ein neues, von früheren Epochen unterscheidbares Weltbild geprägt ist, und welcher Zusammenhang zwischen neuzeitlichem Weltbild und moderner Subjektivität besteht. Wir wollen zeigen, wie Carl Peters in seinen Werken sich selbst als ein im globalen Raum agierendes Unternehmer-Subjekt darstellt, das durch die Verbindung von Theorie und Praxis sich selbst als Urheber weltverändernder Taten stilisiert. Im ersten Teil dieses Kapitels werden wir den Begriff des globalen Raums definieren und die Bedeutung zu erläutern versuchen, die das neuzeitliche Weltbild für die moderne Subjektivität und die moderne Handlungskultur hat. Im zweiten Teil soll der Zusammenhang zwischen globalem Raum und modernem Unternehmertum aufgezeigt werden. Im letzten Teil sollen schließlich anhand der beiden Begriffe Carl Peters' Raumkonzeption und sein Selbstbild analysiert werden.
|