Abstract: Zentraler Untersuchungsgegenstand bisheriger Studien zum Zweitspracherwerb des Deutschen war in der Regel die Frage nach der Aneignung standardsprachlicher Strukturen durch Nicht-Muttersprachler. Der regionalen Variation der deutschen Sprache wurde dabei zumeist keine Rechnung getragen. Vor dem Hintergrund der sprachlichen Realität in Deutschland ist jedoch davon auszugehen, dass Lerner des Deutschen nicht nur mit dem Standard, sondern auch mit sozialen und regionalen Varietäten der deutschen Sprache konfrontiert werden. In diesem Zusammenhang stellte sich im Rahmen der vorliegenden Studie die Frage, inwieweit eine von Variation geprägte sprachliche Umgebung den Spracherwerb und -gebrauch des Deutschen durch Nicht-Muttersprachler beeinflussen kann. Im Mittelpunkt der soziolinguistischen Untersuchung stand die Aneignung und die Produktion einer regionalen Varietät, des alemannischen Dialekts, durch russlanddeutsche (Spät-)Aussiedler mit russischer Muttersprache in der Region Südbaden, welche sich durch ein Standard-Dialekt-Kontinuum, die sog. Diaglossie, auszeichnet. Hierzu wurden mithilfe nicht-standardisierter Interviews Sprachdaten von insgesamt 51 Probanden erhoben und auf Realisierungen alemannischer Kennzeichen hin untersucht. Die Auswertung ergab, dass die untersuchten Studienteilnehmer im Rahmen der spezifischen Erhebungssituation Gebrauch von zwölf regionalen Merkmalen machen, von denen fünf bei mehr als der Hälfte der Sprecher nachgewiesen werden konnten. Mit Ausnahme einiger weniger Fälle liegt der durchschnittliche Anteil dialektaler Formen jedoch in der Regel deutlich unter dem der orthoepischen und allegrosprachlichen Realisierungen. Im nächsten Schritt wurde der Dialektgebrauch durch die Probanden einer Korrelationsanalyse mit soziolinguistischen Variablen wie Einreisealter, Aufenthaltsdauer, Geschlecht, Bildungsgrad, Beruf, präferierter Sprachgebrauch und Einstellungen unterzogen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung legen den Schluss nahe, dass solche Faktoren wie Einreisealter, Geschlecht und die metakommunizierte sprachliche Umgebung beim Erwerb und Gebrauch regionaler Varietäten eine eher untergeordnete Rolle spielen. Etwas stärker ins Gewicht fallen dagegen die Dauer der in Deutschland besuchten Bildungseinrichtungen, der Arbeitsschwerpunkt der ausgeübten Tätigkeit sowie die Dominanz des Deutschen im Sprachalltag der Probanden. Im Hinblick auf die Einstellungen erlaubt die aktuelle Studie dagegen keine eindeutigen Rückschlüsse und keine verlässlichen Aussagen
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