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										Der Philosophieprofessor Hartmut Hainbach, Ende 50, seit 20 Jahren verheiratet mit seiner Traumfrau Maria, die er noch immer liebt, gerät in eine tiefe Lebenskrise. Seit Maria nach Berlin gezogen ist, um dort am Theater ihre eigene Karriere voranzutreiben, führen die beiden eine Wochenendbeziehung. An der Uni in Bonn kommt es zu Umstrukturierungen, die Hartmut die Arbeit verleiden. Seine erwachsene Tochter entfremdet sich von ihm und so hadert Hartmut, an der Grenze zum Altwerden, mit seinem ganzen Leben. Hat er etwas Grundlegendes verpasst? War sein Entwurf vom Leben richtig? Hartmut rastet aus, brüllt nicht nur seinen Vorgesetzten an sondern auch seine Frau, flieht in eine unerquickliche Affäre und reist durch seine Vergangenheit. (Cornelia Jetter) Hartmut Hainbach ist Ende fünfzig und hat alles erreicht, was er sich gewünscht hat: Er ist Professor für Philosophie und hat seine Traumfrau geheiratet, die er nach zwanzig Jahren Ehe immer noch liebt. Dennoch ist Hartmut nicht glücklich. Seine Frau ist nach Berlin gezogen, so dass aus der Ehe eine Wochenendbeziehung geworden ist, die gemeinsame Tochter hält die Eltern auf Distanz, der Reformfuror an den Universitäten nimmt Hartmut die Lust an der Arbeit. Als ihm überraschend das Angebot zu einem Berufswechsel gemacht wird, will er endlich Klarheit: über das Verhältnis zu seiner Tochter, über seine Ehe, über ein Leben, von dem er dachte, dass die wichtigen Entscheidungen längst getroffen sind. „Die ungelösten, vielleicht ja unlösbaren Fragen sind der Treibstoff, der die „Fliehkräfte“ des Romantitels befeuert. Hartmut Hainbach katapultieren sie vom beschaulichen Bonn über Frankreich und die spanische Pilgerstadt Santiago de Compostela, wo die Tochter studiert, bis ins portugiesische Bergdorf Rapa. Um das Herzstück der Geschichte jedoch, Hartmanns Reise quer durch Europa und in seine Vergangenheit, spinnt Stephan Thome eine Vielzahl an Episoden, Eskapaden und zeitgeschichtlichen Bezügen, die von den siebziger Jahren an der Universität von Minneapolis über das West-Berlin der achtziger und das entthronte Bonn der neunziger Jahre bis in die krisengeschüttelte Gegenwart reichen... Die Erzählweise ist realistisch - eine Tugend, die in Deutschland an amerikanischen Autoren bewundert, aber an eigenen gern geschmäht wird. Dabei ist sie immer zu einem kleinen Ausflug bereit, in Reminiszenzen an die Montagetechnik der Klassischen Moderne, im Eintauchen in verschiedenste Milieus, vom amerikanischen Campusleben über Berliner Künstlerkreise und die Niederungen deutscher Hochschulverwaltung - bis in de anarchische Freiheit Portugals. Darüber hinaus versteht es Thome, den Leser in die Dialoge hineinzuziehen, als lausche er am Nachbartisch... Stephan Thome selbst ist ein großer Unbekannter der deutschen Literatur. An den üblichen Vernetzungspunkten des Betriebs trifft man ihn nicht an. Dabei ist es nicht so, dass der 1972 in Biedenkopf geborene Schriftsteller, der in Berlin Philosophie und Sinologie studierte, sich der Welt entziehen würde. Vielmehr lebte er in den vergangenen zehn Jahren in einer ganz anderen Weltgegend, in Taipeh, und forschte zur chinesischen Philosophie. Die Distanz hat seinem Schreiben nicht geschadet, im Gegenteil... Wie schon den Protagonisten in „Grenzgang“ erscheint auch dem neuen Helden von Stephan Thome das Scheitern plausibler als der Sieg. Als sich ihm die Chance auf einen Berliner Lehrstuhl eröffnete, kam es ihm bald selbst „merkwürdig“ vor, auf Platz eins der Bewerbungsliste für eine C4-Professsur zu stehen - dort, wo alle hinstrebten. „Hartmut Hainbach aus Arnau. Er wollte ihn nicht zulassen, aber der Gedanke war da, ungerufen.“ Und er blieb. So lässt sich mit Hainbachs Kapitulation vor der Wirklichkeit „Fliehkräfte“ nicht zuletzt als umgekehrter Bildungsroman lesen, nicht als Ent-, sondern als Abwicklung einer Biographie. Denn Thome erzählt nicht die Geschichte, wie einer wurde, was er ist. Ihn interessiert, was mit einem passiert, der auf der Höhe seines Lebens stehend ins Straucheln gerät“ (FAZ). Nominiert für die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2012, Platz 2 der SWR-Bestenliste im Oktober 2012 
  
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