Ähnlich wie in "Moderne Leiden" für die psychosomatischen Krankheiten, liefert Shorter (ID 1/95) hier eine Sozialgeschichte der modernen Psychiatrie: von den Irren-Heilanstalten des späten 18. Jahrhunderts bis zu den stillen Praxen der...
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Ähnlich wie in "Moderne Leiden" für die psychosomatischen Krankheiten, liefert Shorter (ID 1/95) hier eine Sozialgeschichte der modernen Psychiatrie: von den Irren-Heilanstalten des späten 18. Jahrhunderts bis zu den stillen Praxen der niedergelassenen Psychiater heute. In seiner Chronik arbeitet der Medizinhistoriker anhand vieler Belege die Abhängigkeit der Psychiatrie von sozialen und kulturellen Trends heraus: von den biologischen Anfängen der Psychiatrie über den Einbruch der Psychoanalyse bis hin zur Rückkehr zum biologischen Ansatz heute, der psychischen Krankheit als eine genetisch beeinflusste Störung der Hirnchemie betrachtet. Shorter sieht sich als Anhänger der modernen Theorie und teilt heftige Schläge gegen "revisionistische" Strömungen aus, die die Geisteskrankheiten angeblich als Auswüchse des "Kapitalismus" geißelten (so etwa M. Foucault in "Wahnsinn und Gesellschaft", 1969). Shorters Haltung zur Psychoanalyse geräte in die Nähe des Rassismus, wenn er sie als "kollektives Symbol des jüdischen Stolzes im Chaos des fremden Lebens" deutet. (3) (Uwe-F. Obsen)