Wie dasjenige kaum eines anderen Schriftstellers wird Thomas Manns Erzählen durch einen Individualstil geprägt, der gleichsam dessen Markenkern bildet. Nicht das Was, sondern vor allem das Wie des Erzählens scheint die ureigene Sphäre des Sprach-Magiers, und das Wie meint näherhin das Sprachgebaren seiner Erzählerfiguren. Gerade der Ton der Erzählerinstanz in den Buddenbrooks bleibt im Ohr, prägt sich ein und wird - bei genauer Betrachtung zwar fälschlich - mit Thomas Mann identifiziert. [...] Genauer betrachtet liegt etwas in diesem besonderen Ton, der auf seinen Ursprung verweist und sich so personal ausnimmt, dass wir ihn auch einer Person zuordnen wollen. An den Autor zu denken, erscheint nicht ganz falsch, doch formal steht die Erzählerinstanz an, die Thomas Mann in jedem Text neu einsetzt, erfindet und variiert. Sie erscheint uns in den Buddenbrooks zunächst nicht personal oder persönlich, weil sie nicht als handelnde Person beteiligt ist, doch die vermeintliche Abwesenheit täuscht, wie hier zu zeigen sein wird. Doch in welchem Sinne darf der Narrator, darf seine Stimme als im literarischen Text 'anwesend' beschrieben werden? Wie hören wir sie, wie erfahren wir sie, auf welche sprachlichen Signale reagieren wir genau? Mit Karl Bühler lässt sich seine 'Anwesenheit' sehr genau als Ursprung von Zeigehandlungen, als 'Origo' unterschiedlicher deiktischer Verweise verstehen. Der Erzähler in narrativ-fiktionalen Texten muss nicht einmal 'Ich' sagen, um als personale Instanz anwesend zu sein. [...] Die fiktive Welt mit ihren Figuren kann in beiden Präsentationsmodi vorgestellt werden, entweder durch 'telling' oder durch 'showing'. Man kann über eine Romanfigur sprechen und sie von außen beschreiben ('telling'), oder sie kann sich selbst durch ihr Handeln und Sprechen charakterisieren ('showing'). Für die narrative Mittlerinstanz, für den Narrator, gilt dies nicht. Er zeigt sich immer nur auf der Ebene des 'showing'. Und in diesem Begriff des 'showing' ist der Aspekt des deiktischen Zeigens unmittelbar präsent. Die 'Personalität' des Erzählers resultiert demnach aus seinem Sprachhandeln, und dieses wiederum lässt sich als System deiktischer Verweise in einer fiktiven Situation verstehen, die durch das Sprachhandeln allmählich erst entsteht.
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