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  1. Souveränität im Schmerz : die Tortur des Martyriums
    Erschienen: 29.11.2016

    Die Geschichte der Folter und die der Märtyrer, das zeigt nicht erst Gallonio, gehen Hand in Hand. Bereits im Mittelalter bezeichnete 'cruciatus' auch die Folter und die Pein, ebenso wie das mhd. 'Marter' aus dem Leiden Christi über das Blutzeugnis... mehr

     

    Die Geschichte der Folter und die der Märtyrer, das zeigt nicht erst Gallonio, gehen Hand in Hand. Bereits im Mittelalter bezeichnete 'cruciatus' auch die Folter und die Pein, ebenso wie das mhd. 'Marter' aus dem Leiden Christi über das Blutzeugnis die Bedeutung Folter entwickelt hat. Rein begrifflich landeten somit die Passion und das Martyrium wieder dort, wo sie ihren Ausgang genommen hatten: in der Geschichte des Rechts und seiner Zeugen. Im Martyrium ist immer schon ein gewisser Juridismus am Werk: Es beginnt mit einer Konfrontation vor Gericht, vollzieht sich in einer spezifischen Verbindung von Zwang und Zeugenschaft und bezeugt zuletzt, in seiner eschatologischen Dimension, die Hoffnung auf eine weltgeschichtliche Wiederherstellung des Rechts. Vergleichbar aber sind Folter und Martyrium auch darin, dass sie beide 'diskursive Praktiken' im strengen Sinn darstellen: Beide bestehen in einem Sprechakt, der durch einen Akt körperlicher Gewalt beglaubigt werden muss. Erst unter der Folter kommt das Bekenntnis oder Geständnis ganz zu sich, und so sehr die Marter und das Martyrium gerade über die sprachlose Evidenz der Schmerzen 'sprechen' machen, so sehr produzieren sie weitere Diskurse: Zuvorderst entstehen Protokolle der peinlichen Befragung oder des Bekenntnisses; und zuletzt wird ein rechtsgültiges Urteil oder aber die kanonische Beurteilung darüber zu den Akten genommen, ob es sich um einen Pseudomärtyrer, um ein gescheitertes Martyrium oder um einen wahren Blutzeugen gehandelt hat. In beiden Fällen sind es Schmerzen oder Leiden, die positiviert und - nach Maßgabe einer weltlichen oder geistlichen Macht - in einer Wahrheit aufgehoben werden. Somit ist selbst jene Selbstautorisierung, die die 'confessores' der ersten Stunde auszeichnet, nur von Gnaden einer Diskursgewalt, welche rechtsgültige Verbrecher 'ex post' in Leidende ('pathontes') und diese in Zeugen ('martyres') verwandelt. Im Archiv der Märtyrer lässt sich dieses Zusammenwirken unterschiedlicher Diskurspraktiken schon am Grundstock der frühchristlichen Märtyrerakten studieren: Zuweilen als Briefe verfasst und als solche an die gesamte expandierende Christenheit adressiert, vermischen sie Augenzeugenberichte und Dokumente, Urkunden und Fälschungen, Glaubensunterweisungen und Erzählungen, Protokolle und authentische Textzeugen. Stets präsentieren sie eine juristische Fallgeschichte und statuieren aus ihr ein heilsgeschichtliches Exempel. Als Gallonios Kollegen an der Wende zum 17. Jahrhundert die Märtyrerakten historisch-kritisch bearbeiteten, vereinigten sie die verstreuten Textzeugnisse und brachten die diskursive Ordnung der Blutzeugnisse auf den neuesten Stand. Martyrologie ist so gesehen immer auch eine fortlaufend aktualisierte Ableitung der Heils- aus der Rechtsgeschichte.

     

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    Quelle: GiNDok
    Sprache: Deutsch
    Medientyp: Teil eines Buches (Kapitel); bookPart
    Format: Online
    ISBN: 978-3-7705-5076-0
    DDC Klassifikation: Sozialwissenschaften (300); Recht (340); Literatur und Rhetorik (800)
    Sammlung: Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung (ZfL)
    Schlagworte: Folter; Schmerz; Martyrium; Geschichte; Recht; Tragödie; Heilsgeschichte; Rechtsgeschichte
    Lizenz:

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    info:eu-repo/semantics/openAccess

  2. Der befremdete Blick. Robert Musils Sehversuche
    Erschienen: 27.07.2021

    Die Vorstellung vom Sehen als körperinnerem, kognitivem Prozess erlaubte es zum einen die Außenwelt als von der Wahrnehmung unabhängig und damit Geister als existent zu imaginieren. Zum anderen löste sie literarische Suchbewegungen nach dem... mehr

     

    Die Vorstellung vom Sehen als körperinnerem, kognitivem Prozess erlaubte es zum einen die Außenwelt als von der Wahrnehmung unabhängig und damit Geister als existent zu imaginieren. Zum anderen löste sie literarische Suchbewegungen nach dem Möglichkeitsspektrum des Sehens aus, wie die Robert Musils in den 1910er Jahren. Burkhardt Wolf beschreibt dessen literarische Experimente als Fortsetzungen seiner experimentalpsychologischen Sehversuche: In "Monsieur le Vivisecteur" befasst er sich damit, wie man die vorschnellen Assoziationen des Auges zügeln könne; in der Novellensammlung "Drei Frauen" ging es ihm um Störungen des Funktionsfeldes von Wahrnehmung, Gefühl und Weltbezug. Für beide Auseinandersetzungen mit dem Sehen im Text waren Musils Wahrnehmungsversuche am Tachistoskop entscheidend. Insbesondere der Text "Das Fliegenpapier" lässt erkennen, wie sehr der Impuls für Musils Schreiben in der Störung des Sehens lag. Seine Texte können somit, so Wolf, als fiktionale Sehversuche, als Experimentalanordnungen des Sehens aufgefasst werden.

     

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    Quelle: GiNDok
    Sprache: Deutsch
    Medientyp: Teil eines Buches (Kapitel); bookPart
    Format: Online
    ISBN: 978-3-86599-357-1
    DDC Klassifikation: Literatur und Rhetorik (800); Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur (830)
    Sammlung: Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung (ZfL)
    Schlagworte: Musil, Robert; Das Fliegenpapier; Sehen; Experiment; Blick
    Lizenz:

    publikationen.ub.uni-frankfurt.de/home/index/help

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    info:eu-repo/semantics/openAccess

  3. When seascapes collide : visual and vocal contact in Kröger's and Scheffner's "Havarie"
    Erschienen: 28.10.2024

    In 2015, author Merle Kröger located an entire novel on the Mediterranean: on a body of water that has had to be considered not only a highly frequented connective zone but at the same time a strictly observed border region. The events around which... mehr

     

    In 2015, author Merle Kröger located an entire novel on the Mediterranean: on a body of water that has had to be considered not only a highly frequented connective zone but at the same time a strictly observed border region. The events around which everything in this novel centers are the maritime distress of a refugee boat with a damaged motor off the Spanish coast; the boat's sighting by a cruise ship with the telling name 'Spirit of Europe'; and the encounter of both with a Spanish coast guard rescue vessel and with a container ship. The novel's original German title, "Havarie", whose literal English translation "average" fails to convey the word's complex meaning, is the nautical designation for malfunctions and accidents suffered by maritime vehicles; and it is also the older insurance-technical term for contributory distribution in the salvaging of a ship (above all through jettisoning of freight and the "sacrifice" of certain parts of the ship). The title of the 2017 English translation, "Collision", opens up a third dimension: the collision of different seascapes in a shipwreck's context. Correspondingly, both the polylogic contents and the multi-perspectivism of Kröger's novel attach a different relationship to the world and the environment to different kinds of boat: the "boat people" on their very basic water vehicles see their situation above all through the prism of circulating stories and rumors, myths and fables; on the cruiser, we find a temporally removed economy of consumeristic attentiveness that allows the sea to vanish beneath a "display" of the all-encompassing service and entertainment offerings; and the coast guard ship is fully oriented toward speedily detecting and approaching a target. [...] As the afterword itself underscores, the book, although a work of fiction, was based on documentary research. And its starting point was found footage - the jetsam of a data-ocean. Namely, by coincidence Kröger, together with her collaborator, the filmmaker Philipp Scheffner, came across a YouTube video recorded by the Northern Irishman Terry Diamond in 2012 off the Spanish coast, on board the "Adventure of the Seas". They researched the background, met Diamond, obtained the relevant radio recordings from the Spanish coast guard, and finally interviewed and filmed both the cruiser's personnel and a number of refugees. When in 2015 Mediterranean crossings from North Africa multiplied and the mass media issued alarmist reports of a "refugee crisis," Scheffner and Kröger wanted to do more than simply contribute their already-produced documentary film to the image flood. They decided on a new approach involving something like parallel literary and filmic action: Kröger shaped what had been researched into a possible scenario; and Scheffner worked with the video recordings as image material and with both the radio and interview recordings as sound material.

     

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