Literaturpreise im deutschsprachigen Raum seit 1990: Funktionen und Wirkungen
"Das Projekt beabsichtigt eine umfassende Untersuchung des Phänomens Literaturpreise im deutschsprachigen Raum ab 1990 und fragt nach deren innerliterarischen, kulturpolitischen und literaturbetrieblichen Funktionen und Wirkungen. Innerliterarisch wird untersucht, ob Preise zur Diversifikation des literarischen Feldes und zur Heterarchisierung von Wertungsmustern beitragen. Kulturpolitisch wird vermutet, dass Preise Literatur im Kanon sozio-kultureller Werte (Verständigung, Friedenspolitik, Inklusion) valorisieren, wodurch umgekehrt Literatur zum Prestige regionaler Kulturpolitik beitragen kann. Literaturbetrieblich richten Preise die Aufmerksamkeit auf neue Marktsegmente. Die Funktionen verstärken einander und geben den Preisen Bedeutung bei der Ausweitung der gegenwärtig beobachteten Ästhetisierung der Gesellschaft (Reckwitz). Nach konventioneller Lesart sind Literaturpreise an der Festlegung der Hierarchie von Genres, Werken und AutorInnen im literarischen Feld (Bourdieu) beteiligt, so dass ihre Zunahme (zur Zeit gibt es ca. 1100) als Inflation und Qualitätsverlust zu deuten wäre. Das Projekt untersucht dagegen, inwiefern neue Preise randständige Bereiche als eigenständige Gegenstände literarischer Wertung anerkennen und die Nobilitierung neuer Genres und Werke die tradierte Hierarchie der Konsekration auflöst. Weiterhin interessiert die von Preisen gestiftete programmatische Verknüpfung von Literatur mit außerliterarischen Werten, die zur Wahrnehmung von Literatur im gesellschaftlichen Raum beiträgt. Trotz Studien zu markanten Preisen steht eine umfassende Untersuchung der Preislandschaft aus. Als deren Grundlage dient eine im Projekt auszubauende Datenbank, die bereits vorhandene Daten vervollständigt und aufbereitet. Fallstudien richten sich auf den Zusammenhang von Nobilitierung und Ökonomisierung in der regionalen Valorisierungspraxis, beim ‚Branding‘ neuer Genres sowie in der Lobbyarbeit von Verlagen."
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