Die Beschäftigung mit dem wirtschaftlichen System ist immer dann am Stärksten, wenn die ökonomische Krise längst alle Lebensbereiche und Gesellschaftsschichten erreicht hat. Bereits vor der verheerenden Weltwirtschaftskrise von 1929 erlebte der Kapitalismus immer wieder (und meist systemintern herbeigeführte) Spekulations- und Finanzkrisen, sodass sich bereits in literarischen Texten des späten 19. Jahrhunderts explizite Darstellungen von idealistischen Antikapitalisten finden lassen. Doch viele der Utopisten, die alternative Wirtschaftssysteme erdenken, scheitern kläglich – in Émile Zolas "L’Argent" (1891) ist es der kränkliche Träumer Sigismund, der dem ausbeuterischen Kapitalismus in seinen ausufernden Schriften ein System des "collectivisme" entgegensetzen will: Keine Konkurrenz, kein Privatkapital, kein Handel, keine Börse – "Das einzige Wertmaß ist nur noch die Arbeit." Doch der Intellektuelle stirbt über seinen Papieren, ausgerechnet im schäbigen Hinterzimmer des Inkassobüros seines hochkapitalistischen Bruders. Doch nicht immer findet diese Auseinandersetzung so engagiert statt wie am Reißbrett des antikapitalistischen Utopisten Sigismund; in Hans Falladas Roman "Kleiner Mann – was nun?" etwa, dem Gesellschaftspanorama zur Zeit der Inflation im Berlin der 1920er Jahre, beschließt der archetypische Kleinbürger Pinneberg, sich eher passiv gegen das aktuelle Wirtschaftssystem zu wehren: "Und das nächste Mal wähle ich doch Kommunisten!" Die Beschäftigung mit Neuentwürfen eines alternativen und gerechteren Systems findet vorwiegend in den intellektuellen Schichten der Gesellschaft statt, während sich die Angestellten- und Arbeiterklasse durch die Unterstützung extremer politischer Lager eher bestehenden marxistischen oder kommunistischen Ideologien unterwirft. Die Verbindung einer politischen und wirtschaftlichen Neuausrichtung der Gesellschaft zeigt sich in Ramón del Valle-Incláns bitterbösen Gesellschaftsgroteske "Luces de Bohemia" (1921/24): Der blinde Intellektuelle Máximo Estrella wird von seiner ...
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