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Mit Ina Hartwigs "Wer war Ingeborg Bachmann? Eine Biographie in Bruchstücken" erschien 2017 der bis dato jüngste Neuzugang im Regal der Ingeborg-Bachmann-Biografien. Titel und Coverfoto - Bachmann als junge Frau, die hinter einer Mauer hervorblickt, den Kopf dem Fotografen zugewandt, den Körper versteckt - lassen am paradigmatischen Erkenntnisinteresse dieser Biografie keinen Zweifel: Es geht weniger darum, Bachmanns Leben zu beschreiben, als dessen 'Geheimnisse' zu lüften. Ihr Tod, der den Auftakt bildet - Bachmann erlitt durch einen Unfall mit einer Zigarette schwere Verbrennungen und starb nach mehreren Tagen - wird im wahrsten Sinne des Wortes theatral inszeniert [.] Die Fixierung auf Bachmanns Psychosomatik bestimmt den Diskurs um ihre Person von dem Moment an, in dem sie öffentlich in Erscheinung tritt. Sie reicht vom voyeuristischen Blick der Spiegel-Story (1954), die Bachmann förmlich aus dem Bett reißt, über sarkastisch-diffamierende Bemerkungen zu Habitus, Outfits und Accessoires in zeitgenössischen Rezensionen10 bis zu persönlichen Geschmacksurteilen im Gestus universeller Wahrheit. Sogar der Bachmann attestierte Vaterkomplex schreibt sich fort: In der 2018 erschienenen Studie "Poetiken des Traumas" erklärt Annette Vieth das Inzestmotiv der in Malina geschilderten Träume damit, dass die Autorin in ihrer Kindheit von ihrem biologischen Vater missbraucht worden sein müsse. Autorin und Werk werden damit, auf Basis von Spekulationen, aus dem Verantwortungsbereich der Literaturwissenschaften entlassen und Jurisprudenz, Psychologie und Medizin übergeben. Angesichts dessen dürfte es nicht verwundern, dass auf der 46. Literaturtagung des Instituts für Österreichkunde in Klagenfurt (2006) ein Professor für Frauenheilkunde und Geburtshilfe geladen war, um Malina "aus der Sicht eines Frauenarztes" zu interpretieren. Bedarf es also eines Arztes, um Bachmann lesen zu können? Ist hier jemand krank? Die Texte? Die Autorin? Und ist diese Trennung noch relevant? Diese Fragen legen mitunter wunde Punkte der ...
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