Einzelprojekte

Genderbezogene Praktiken bei Personenreferenzen: Diskurs, Grammatik, Kognition

In Deutschland, Österreich und der Schweiz wird das Thema geschlechtergerechte Sprache seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Während traditionell davon ausgegangen wird, dass maskuline Personenbezeichnungen geschlechtsgenerisch verstanden werden, fordert die feministische Linguistik, dass genderbewusste Sprache verwendet wird (z.B. Beidnennungen). Diese Debatte ist ideologisch aufgeladen und krankt daran, dass keine klaren Ergebnisse aus der Linguistik vorliegen. Zwar zeigen zahlreiche Experimente, dass es beim Verständnis von Maskulina vorrangig zu männlichen Geschlechtszuweisungen kommt, aber andererseits wurde die Gradualität der (binären) Geschlechtszuweisung zu wenig zur Kenntnis genommen. Die weiblichen Nennungen lagen nicht im Interesse der feministisch ausgerichteten Forschung. Auch wurde der Einfluss grammatischer Kategorien (wie z.B. Numerus, syntaktische Position) auf die Geschlechtsassoziation kaum berücksichtigt. In den letzten Jahren kommt die Forderung zur Repräsentation nicht-binärer Geschlechtsidentitäten hinzu, die den feministischen Diskurs kritisiert. Durch die Sichtbarmachung von Frauen werde die Geschlechterdichotomie forciert. Wie alternative Schreibungen mit Genderstern oder Unterstrich, die Eingang in Leitfäden gefunden haben, die Lesbarkeit beeinflussen, und ob damit die intendierte Vorstellung geschlechtlicher Vielfalt erzielt wird, ist bislang unbekannt. Weitere im öffentlichen Diskurs vorgebrachte Pro- und Kontraargumente betreffen stilistische (Dis-)Präferenzen (z.B Ususferne, bürokratischer Jargon). Drei Teilprojekte (TP), die miteinander kooperieren, setzen unterschiedliche Schwerpunkte und verbinden psycholinguistische, grammatik- und diskursanalytische Methoden. TP1 „Registerbildung, Haltungskommunikation und textstilistische Vielfalt„ (Kotthoff) fokussiert die Verwendung unterschiedlicher genderbezogener Sprachstile. Es eruiert Begründungen für personenbezogene Stilistiken anhand von Mediendiskussionen und Leitfadeninterviews, und rekonstruiert deren soziale Verortung. TP2 „Geschlechtsassoziationen bei maskulinen Personenbezeichnungen und Indefinitpronomina“ (Nübling) befasst sich grammatisch differenziert ausschließlich mit maskulinen Personenbezeichnungen (Politiker, Einwohner) sowie Indefinitpronomen (man, jemand). Im Vordergrund steht, den Einfluss grammatischer und lexikalischer Variablen auf die induzierte Geschlechtsassoziationen zu überprüfen. TP3 „Nicht-binäre Personen-bezeichnungen: Lesbarkeit und Geschlechtsassoziationen“ (Ferstl) ist in der Kognitionswissenschaft verortet und untersucht mit psycholinguistischen Methoden, wie verschiedene Formen der genderbewussten Sprache (z.B. Binnen-I oder Gender-Stern) das Leseverhalten beeinflussen und welche Repräsentationen sie bei den RezipientInnen erzeugen. Ziel dieser Forschung ist a) den Diskurs zu versachlichen, b) die Praktikabilität verschiedener Genderstile zu beleuchten, c) linguistische Grundlagenforschung zu Personenbezeichnungen zu betreiben.

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Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Schlagworte

Linguistik, Grammatik, Stil, Psycholinguistik
Geschlechtergerechte Sprache; Gender

Institution

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Deutsches Seminar
Fach Germanistische Linguistik
Deutschland
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)
Deutsches Institut
Deutschland