Einzelprojekte

Der jüdische Goethe: Die Geschichte einer Wahlverwandtschaft

Das Forschungsprojekt untersucht die Geschichte und die Formen der besonderen jüdischen Verehrung Goethes in einer weit gesteckten Perspektive, die im 19. Jahrhundert bei Rahel Varnhagen und Heinrich Heine beginnt, über Georg Witkowski und Ludwig Geiger fortgeführt wird und über Walter Benjamin bis ins Exil – etwa zu Hannah Arendt und Werner Kraft – reicht. Im Zentrum stehen Texte, in denen Goethes Werk herausgeben, gedeutet, kommentiert, übersetzt und auf das eigene Leben bezogen wird. So wird ein gleichsam jüdischer Korpus von Aberhunderten von Werkeditionen, Monografien, Dissertationen, Biographien, Analysen und Essays, aber auch Gedichten, formative Begriffen und goethischen Denkfiguren sichtbar.
In diesem literarischen Wissen wurde sowohl die jüdische Seite Goethes verhandelt als auch das nicht anders als goethesch zu nennende Selbstverständnis vieler deutscher Jüdinnen und Juden. Was die Zeitgenossen »Wahlverwandtschaft« nannten, eine Affinität von Deutschem und Jüdischem, wurde in jener Zeit für selbstverständlich gehalten: Mit Metaphern der Nähe, der Zusammengehörigkeit, und eben der Verwandtschaft entwarfen jüdische Intellektuelle im Verlauf eines Jahrhunderts einen Theorietext moderner Zugehörigkeit, der individuelle Ambitionen und kollektive Prägungen ausbalancierte. Heute kann dieser Kanon als beides gewürdigt werden: als empirisch nachweisbares, kulturell-sprachliches wie historisch-literarisches Wissen einerseits und als Ausdruck einer zuletzt unerfüllt gebliebenen Sehnsucht andererseits, die nicht nur an Politik und Gesellschaft scheiterte, sondern die auch schon zuvor in der ideellen Sphäre von Literatur und Imagination gefährdet war.

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Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

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Institution

Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur - Simon Dubnow
Deutschland